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Channel: Spürsinn • Der analoge Fotoladen » impossible
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Morgen gibt es kein analoges Material mehr?

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Spürsinn ist und bleibt der auf die analoge Fotografie spezialisierte Fotofachhandel. In den letzten Tagen gab es einige Unruhe im analogen Bereich, nicht zuletzt wegen der Ankündigung von Kodak die Filmproduktion zu verkaufen und dem etwas nebulösen Ausstieg von efke aus der Produktion von Filmen und Fotopapier. Solche Nachrichten sind immer wieder Anlass für einige Leute, von einer weltumspannenden Krise in der Analogfotografie zu reden und Ängste bezüglich deren Fortbestand zu schüren. Nun könnten wir eine Brandrede halten, warum das Analoge nicht sterben wird – oder wir könnten einfach still und leise zur Tagesordnung übergehen. Beides ist nicht der richtige Weg. In dieser Beziehung liegt uns die nüchterne Betrachtung des Ist-Zustandes näher, sowie die einfache und nachvollziehbare Analyse der kurz- und mittelfristigen Chancen und Risiken. Als der auf die Analogfotografie spezialisierte Fachhändler ist eine solche Sichtweise sowohl für uns, als auch für unsere Kunden wichtig. Aus diesem Grund veröffentlichen wir heute unsere Einschätzung zur aktuellen Situation.

Filmmaterial
In den letzten 5 Jahren ist die Nachfrage an Filmmaterialien insgesamt stark gestiegen. Zwar wurden neben neu an den Markt gebrachten Filmen auch andere Filme wieder vom Markt genommen – dies entspricht jedoch den üblichen Handlungsweisen von Herstellern. Vergleicht man die letzten 50 Jahre in der filmproduzierenden Branche, gibt es in letzter Zeit keine außergewöhnlichen Ankündigungen von Filmtypen. In der Hauptsache werden einzelne Filmtypen nicht mehr nachproduziert, wenn die Absatzmengen nicht mehr betriebswirtschaftlich tragbar sind. Angesichts des insgesamt steigenden Filmumsatzes (bezogen auf Stück) gibt es definitiv keinen Rückgang durch wegfallende Filmtypen – eher im Gegenteil, Analogfotografen sind zumeist schon lange vor der Ankündigung eines Filmtyps auf einen anderen umgestiegen. Somit folgt die Filmindustrie mit ihren Fertigungsentscheidungen lediglich dem Markt.

Auch in den vergangenen Jahrzehnten gab es immer wieder komplette Fertigungsstilllegungen in der filmproduzierenden Branche. Diese entstehenden Lücken wurden immer durch andere Filmhersteller aufgefangen. Wenn ein verhältnismäßig kleiner Produzent, wie aktuell efke, aus dem Markt aussteigt, hat dies keine weiteren Auswirkungen auf den Gesamtmarkt. In Hinsicht auf Kodak würde diese jedoch anders aussehen, wenn es sich um eine komplette Betriebsstilllegung handeln würde. Realität ist jedoch, dass sich Kodak nach einem Käufer für die bestehende Filmproduktion umsieht. Branchengerüchten zu Folge gibt es schon einige Interessenten für die Übernahmen. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang der aktuell abgeschlossene Filmliefervertrag mit den vier bedeutendsten Filmstudios in Hollywood, der bis 2015 reicht und eine Option für die nächsten Jahre beinhalten soll. Auch wenn es zu einem Verkauf der Kodak-Filmsparte von Kodak kommt, behalten die Verträge ihre Gültigkeit. Dies dürfte die Attraktivität der laufenden Verkaufsbemühungen erheblich steigern und somit ist auch der Kodak-Film für die Analogfotografie gesichert.

Stark schwankend zeigt sich zurzeit der Käufermarkt bei Dia-Filmen. Die Absatzzahlen in diesem Jahr laufen nicht mehr so kontinuierlich über das ganze Jahr verteilt, wie es noch in den Jahren zuvor war. Angesichts dieses Käuferverhaltens muss man abwarten, wie es in der nahen Zukunft entwickelt. Nachdem Kodak aus dem Dia-Geschäft ausgestiegen ist, sind hochwertige Dia-Filme nur noch bei Fuji im Angebot, aber auch hier wurde auf Grundlage mangelndem Absatzes bei einem Filmtyp vor Kurzem die Herausnahme aus dem Fertigungsprogramm beschlossen.

Fotopapier
Schwarzweiß- und Farb-Fotopapiere werden nach wie vor gefertigt. Zwar sind die Produktionsmengen weltweit erheblich zurück gegangen – aber diese Entwicklung hatte ihren Tiefstand vor 5 Jahren. Seither steigen die Produktionsmengen wieder moderat. Insbesondere Schwarzweiß-Papiere aus außereuropäischer Fertigung rücken heute in den Fokus. Lediglich die anfallenden Transportkosten schlagen sich hier negativ nieder. Dies wird sich jedoch verschmerzen lassen, da die Papierqualitäten deutlich höher sind, als man dies von einigen bisher angebotenen Fotopapieren gewohnt ist. Weiterhin stehen die Fotopapiere der bisherigen Hochqualitätslieferanten, wie zum Beispiel Ilford, zur Verfügung. Diese werden zum heutigen Zeitpunkt jedoch nicht in vollem Umfang in Deutschland angeboten, da sich der Käufermarkt bisher auf niedrigere Qualitäten konzentrierte.

Seit einigen Monaten zeichnet sich bezüglich der Qualitätswünsche ein Wandel ab. Mit dem neu einsetzenden Interesse an der Dunkelkammer-Arbeit wird wieder häufiger nach hohen und höchsten Qualitäten gefragt. Branchenintern wird davon ausgegangen, dass zum Herbst hin neue Fotopapiere ins Angebot der Händler kommen. Hierbei scheint auch ein Wandel im Umgang mit Bildern eine erhebliche Rolle zu spielen. Wurden bis vor kurzer Zeit Bilder lediglich für die Präsentation im Internet gemacht, rückt jetzt auch wieder das reale Bild an der Wand in den Mittelpunkt. Dies bedeutet, dass sowohl das Bild im Internet, so wie auch das Bild auf Fotopapier gepflegt wird. Viele Analogfotografen, insbesondere im Schwarzweiß-Bereich, geben das Scannen von Negativen aus Qualitätsgründen auf und scannen lieber das in der Dunkelkammer entstandene Positiv.

Fotochemie
Farb- und Farbumkehr-Chemie ist weitgehend ausgereift und seit Jahrzehnten verfügbar. Daran wird sich auch nichts ändern. Im Schwarzweiß-Sektor zeigt sich in den letzten Jahren ein permanenter Fortschritt. Da die Schwarzweiß-Fotografie insgesamt – sowohl analog als auch digital – zurzeit erheblich stärker wächst und das Schwarzweiße sowieso die Domäne der Analogfotografie ist, folgt dementsprechend auch die Fotochemie-Industrie dem Markt. Waren die bisherigen Bemühungen um Neues auf die Entwicklung von Negativen konzentriert, gibt es nun erstmals nach vielen Jahren des Stillstandes neue Fotochemie für den Papier-Prozess. Zudem wurde bereits schon jetzt angekündigt, dass es bis zum Jahresende neue Produkte für die Papier-Entwicklung geben soll. Dies ist dahingehend interessant, da nach Jahren der hybriden Verarbeitung jetzt viele Fotografen den digitalisierten Bestand ihrer Negative auf Fotopapier ausbelichten wollen.

Sofortbild-Fotografie
Hier hat Impossible den Markt sozusagen „übernommen“. Das eher kreative Filmmaterial mit seinen vielen Möglichkeiten (wie z.B. dem Emulsionslift) kommt der Spielfreude vieler Fotografen entgegen. Die stark steigenden Absatzzahlen belegen, dass dieser Bereich nichts in der Analogfotografie verdrängt, sondern bereichert. Ähnlich kann man diese Entwicklung auch für die Trennbildfilme von Fuji sehen, wobei der Großformat-Trennbildfilm (4×5 Inch) leider aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen eingestellt wurde. Es kann also hier nur noch aus dem Lager abverkauft werden – solange der Vorrat reicht.

Fazit
Auch wenn einzelne Nachrichten der Tagespresse für Unruhe sorgen, ist der Gesamtmarkt der analogen Fotografie stabil, und dies mit deutlicher Wachstumstendenz. Mittlerweile darf man die Bereiche Filmmaterial, Fotopapier und Fotochemie nicht mehr separiert sehen. Analogfotografen kehren zurück zum kompletten Prozess. Dabei steigen die Qualitätsansprüche erheblich. Für die Zukunft wird das Thema Qualität wesentlich höher aufgehängt sein, als es bisher betrachtet wurde. Hierbei geht es jedoch nicht um die Wahrung alter Qualitätsmerkmale, sondern um neue, fortschrittliche Verfahren und Arbeitsweisen, letztendlich auch um neue Materialien und Produkte. Aktuell befindet sich die Analogfotografie in einer Umstrukturierungsphase. Diese wird weniger durch die herstellende Industrie beeinflusst, als durch die Fotografen selbst. Das kann als Unterscheidungsmerkmal zu anderen Märkten und Bereichen der Fotografie angesehen werden und wird sich aller Voraussicht nach noch weiter verstärken. Eine mehr als interessante Situation, da nicht die Hersteller das Marktangebot durch Neues bestimmen, sondern den vorhandenen Bedarf befriedigen und abdecken. Solange diese Produktion betriebswirtschaftlich tragfähig sein wird und Absatzmengen entsprechend vorhanden sind, wird es analoge Materialien geben. Und so wie sich das Marktinteresse an analogen Materialien heute darstellt, wird die Analogfotografie noch sehr lange am Markt Bestand haben.


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